Es ist kein Geheimnis, dass das Thema Akzeptanz immer wieder in meinen Blogbeiträgen auftaucht – und das aus gutem Grund. Im Rahmen meiner psychologischen Onlineberatung sehe ich fast täglich, wie viel Leid entsteht, weil wir uns gegen die Realität, gegen unsere Gefühle oder gegen schwierige Umstände stemmen. Akzeptanz ist oft der Schlüssel, der uns aus dem Gefängnis des ständigen Kampfes befreit. Sie ist die innere Haltung, die uns erlaubt, das Hier und Jetzt anzunehmen, auch wenn es schmerzt.
Fehlende Akzeptanz führt schlichtweg zur Verlängerung unseres Leidens.
Ich habe oft darüber geschrieben, warum diese Haltung so wichtig ist. Doch in der Praxis erlebe ich auch, wie Akzeptanz missverstanden wird – nämlich dann, wenn wir sie wie ein Werkzeug benutzen, das ein sofortiges, überprüfbares Ergebnis liefern soll.
Wenn Akzeptanz auf Bewährung ist
Vor Kurzem hatte ich wieder ein Beratungsgespräch, das diesen Punkt sehr deutlich gemacht hat. Ein Klient war in einer sehr schmerzhaften emotionalen Situation gefangen. Wir haben uns intensiv damit beschäftigt, wie er diesem schweren, nagenden Gefühl bewusst Akzeptanz entgegenbringen kann. Er sollte das Gefühl nicht verändern, nicht bekämpfen, sondern ihm innerlich zustimmen: „Ja, dieses Gefühl ist jetzt da.“
Zwei Tage später fragte er mich: „Ich habe es versucht, ich habe dieses Gefühl akzeptiert. Aber es ist immer noch da. Es hat nichts gebracht. Ich dachte, wenn ich es akzeptiere, müsste es doch besser werden oder verschwinden. „Was habe ich falsch gemacht?“
Diese ehrliche Frage trifft den Kern des Missverständnisses. Die innere Haltung war: Ich akzeptiere dieses Gefühl, damit es verschwindet. Die Akzeptanz wurde hier nicht als eine Haltung zum Leben, sondern als eine Art Heilmittel mit zweitägiger Bewährungsfrist verwendet.
Akzeptanz ist keine Verhandlung
Genau an diesem Punkt hört Akzeptanz auf, echte Akzeptanz zu sein. Wenn ich das Annehmen eines Zustandes an eine Bedingung knüpfe („Ich akzeptiere X, wenn dadurch Y passiert“), dann ist es eine Strategie. Es ist ein Versuch, die Realität zu manipulieren.
Wahre Akzeptanz ist die radikale Annahme des gegenwärtigen Moments, so wie er ist – ohne die Garantie auf eine sofortige oder auch nur absehbare Verbesserung.
- Es ist die Entscheidung, dem Schmerz zu erlauben, da zu sein, auch wenn er morgen noch da ist.
- Es ist das Annehmen unheilsamer oder „negativer“ Gefühle (Angst, Trauer, Wut), nicht weil wir sie behalten wollen, sondern weil wir erkennen, dass der Kampf gegen sie mehr Kraft kostet als die eigentliche Emotion.
Wir wollen Gefühle, die sich schlecht anfühlen, verständlicherweise sofort weg haben. Doch gerade dieses „Weg-Haben-Wollen“ ist der zusätzliche Leidmotor. Akzeptanz bedeutet in diesem Kontext: Ich nehme wahr, dass dieses schmerzhafte Gefühl da ist, und ich nehme wahr, dass ich es am liebsten weg hätte. Ich akzeptiere beides, den Zustand und meine Abneigung dagegen.
Wenn Sie Akzeptanz nur als Werkzeug nutzen, um ein Ziel (z.B. Schmerzfreiheit) zu erreichen, und dann frustriert sind, weil es nach 48 Stunden nicht gewirkt hat, haben Sie es mit einer Erwartungshaltung verunreinigt, die der Akzeptanz fundamental widerspricht.
Akzeptanz ist keine kurzfristige Technik, sondern eine grundlegende Lebenseinstellung. Sie ist das „Ja“ zum Moment, das uns paradoxerweise die innere Freiheit gibt, dann klarer zu entscheiden, ob und wie wir die Situation von diesem Punkt aus verändern wollen.
Liebe Leserinnen und Leser,
Akzeptanz öffnet die Tür zu mehr Frieden, aber sie ist kein Zauberschlüssel, der sofort alles Ungewünschte verschwinden lässt. Sie befreit uns vom sinnlosen Kampf gegen die Gegenwart. Prüfen Sie das nächste Mal, wenn Sie etwas „akzeptieren“, ob Sie es bedingungslos annehmen oder ob Sie heimlich auf einen positiven Nebeneffekt warten. Wahre Akzeptanz beginnt, wenn wir auch das Anhalten des ungeliebten Zustandes akzeptieren können.
